Sich bis auf die Knochen blamieren?
Neulich in einer meiner Supervisionen: Ein gut ausgebildetes multiprofessionelles Team beschließt, Synergien endlich besser zu nutzen. Ein erster Schritt soll sein,den anderen Teammitgliedern kleine interne Fortbildungen zu geben. Die Idee finden alle gut, eine Liste mit einem Terminplan wird ausgehängt – und bleibt leer. Auf die Frage nach dem Warum gibt es viele Antworten: Wir sind grundsätzlich überlastet. Die festgesetzten Termine sind extrem ungünstig. Die Geschäftsleitung fordert Überstundenabbau anstatt Anhäufung Die Argumente werden hitziger und die schöne Idee nach und nach zerpflückt und wieder kaputt gemacht. Ich bin auch ratlos. Aus Erfahrung weiß ich, dass alle Gegenargumente nur zu einer Verlängerung der Diskussion, nicht aber zu einer Lösung führen. Die fällt mir erst ein als ich mir überlege, wie ich mich selbst fühlen würde, wenn ich vor Kollegen etwas von meiner speziellen Kompetenz erzählen müsste. In diesem Moment verstehe ich auf einmal die leere Liste. Eine Fortbildung vor Kollegen zu halten bedeutet sich zu zeigen, sich angreifbar zu machen, sich (vielleicht unangenehmen )Fragen stellen zu müssen und – sich möglicherweise bis auf die Knochen zu blamieren. Es ist die Angst vor der Blamage, die Angst, das Gesicht zu verlieren, die das fragliche Team, mich selbst, aber ziemlich sicher auch viele andere Zeitgenossen immer wieder hemmt und hindert. Ich rede on der Angst, das Gesicht zu verlieren, nicht von der Realität. Normalerweise gehen solche Situationen vorüber, ohne das das Befürchtete eintritt. Trotzdem lohnt es sich, diese Angst etwas näher zu beleuchten. Sie fordert uns nämlich heraus, sich mit dem eigenen Selbstbild und der Selbstdarstellung zu beschäftigen. Mache ich mich zu groß oder zu klein? Kenne ich meine Grenzen? Stecke ich sie zu eng oder viel zu weit? Ist mein Perfektionsanspruch vielleicht nicht doch nur eine Abwehrmaßnahme gegen das eigene Unzulänglichkeitsgefühl? Ein Realitätscheck für das Selbstbild muss immer wieder sein, damit ich dann auch wirklich zu mir stehen kann – und das dürfen andere dann auch respektvoll merken. Oder noch mal ganz anders ausgedrückt: 1. Die Angst, ‚mit heruntergelassen Hosen’ in einer Öffentlichkeit zu stehen ist weit verbreitet. Sie sind nicht allein! 2. Je realistischer das eigene Selbstbild, umso weniger Überraschungen werden Sie erleben. 3. Manchmal hilft nur Ausprobieren. Handeln Sie trotz Ihrer Angst. Herzliche Grüße bis zum nächsten Mal Ihre Gabriele Randak P.S. Die Fortbildungsliste des Teams füllt sich langsam. Image credit: vvo / 123RF Stock...
MehrKeine Zeit? Stimmt doch gar nicht!
Was stellen wir alles an mit der Zeit! Wir schlagen sie tot, wir schinden sie, wir spielen um sie, wir verschwenden sie,wir stehlen sie und rauben sie oder vertreiben sie gar. Zeit haben wollen alle, die häufigste Absage heißt: Ich habe keine Zeit. Ja, ich weiß, die Umstände hindern uns, mehr von dem knappen Gut ‚ Zeit’ zu haben. Die Smartphones, die Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit, die (angeblich) gefordert ist, die Fülle der Aufgaben … Das hat alles sicher seine Berechtigung, und es gibt viel zu tun, um bessere zeitliche Bedingungen hinzubekommen. Aber das alles interessiert mich heute hier nicht. Ich bin nämlich nicht sicher, ob es wirklich stimmt, dass wir mehr Zeit haben wollen. Ich bin misstrauisch geworden. Wie kann es denn sein, dass wir unbedingt etwas wollen und es uns partout nicht erfüllen können? Vielleicht weil ein anderer, uns nicht bewußter Wunsch dem großen Wunsch nach ‚Zeit haben’ entgegen steht – nämlich der Wunsch, gerade keine Zeit zu haben. Doch das gibt’s! Z. B. weil, wer keine Zeit hat, ein vielbeschäftigter Mensch und sehr wichtig ist. Keinen vollen Terminkalender zu haben und das auch noch locker zu sagen, ist doch ein bisschen peinlich, oder? Jedenfalls ist es mir so gegangen, als in einer größeren Runde ein gemeinsamer Abendtermin gefunden werden musste. „Da kann ich nicht“, „ nein, leider , da habe ich eine Sitzung“, „tut mir Leid, ich bin beruflich gar nicht im Lande“, etc . Nur ich konnte praktisch immer sagen: „Bei mir geht’s“. Anstatt mich zu freuen, habe ich mir heimlich die Frage gestellt, was bei mir schief läuft, und was meine Kollegen über meine Auftragslage denken könnten, wenn ich immer Zeit habe. Mein Fazit: ‚Keine Zeit’ ist längst zu einem Statussymbol geworden und zum Gradmesser für die Bedeutung eines Menschen. „Ich habe keine Zeit“ kann auch bewusstes oder unbewusstes Vermeidungsverhalten bedeuten. Zuerst das bewusste, das geht leichter. Einem Bekannten oder einer ‚Freundin’, die einen unbedingt mal wieder treffen wollen, zu sagen,“ du das ist ganz schlecht im Moment, ich bin zeitlich wirklich sehr eingespannt“ ist sicher leichter , wenn die platte Wahrheit, folgende ist:„ich habe gar keine Lust, dich zu treffen, die letzten drei Male habe ich mich nämlich nur gelangweilt.“ Schwieriger wird es, wenn das, was ich vermeiden will, sich meinem Bewusstsein entzieht. Was würde denn passieren, wenn ich nicht jede freie Minute mit Terminen zukleistern würde, ja sogar im Urlaub Freizeitstress veranstalte? Im besten Fall wäre es einfach langweilig. Das wäre vermutlich noch zu verkraften. Aber was, wenn die ‚Gespenster’ sich melden – namens Depression, Angst, Schuldgefühl, … – und ihre Chance sehen, den freien Zeitraum zu füllen? Da tauchen dann Fragen und Ängste auf, die sonst im hintersten Winkel meiner Seele hausen und da auch besser bleiben sollen. Wie sonst ist es beispielsweise erklärbar, dass manche Menschen sich lieber in einen Burnout hineinrödeln (der sie dann übrigens zwingt, sich mit ihren Gespenstern auseinanderzusetzen), anstatt rechtzeitig innezuhalten und sich die vielleicht unangenehme Frage zu stellen: „Was mache ich da eigentlich?“ Dazu müsste ich ja Zeit haben, die ich eben nicht habe( n will.) Am Schluss noch für alle, die es lieber kurz und knackig wollen Manchmal stehen unbewusste Wünsche den bewussten entgegen. Es lohnt sich, hinter die eigenen unbewussten Motive des vermeintlichen Zeitmangels zu kommen. Dann müssen wir mit der Zeit auch nicht mehr so martialisch umgehen, sondern können sie – genießen. Eine gute Zeit bis zum nächsten Mal Ihre Gabriele Randak Photo Credit: h.koppdelaney via Compfight...
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